Neutronenstreuung

Da Neutronen ungeladen sind, werden sie beim Durchqueren von Materie nicht von der Elektronenhülle abgelenkt. Durchfliegen sie allerdings einen gewissen Bereich um den Atomkern (ca. 10-13 m), so werden sie aufgrund der Wechselwirkung zwischen Kernteilchen gestreut.

Gemäß der Quantentheorie kann man jedes Teilchen auch als Wellenpaket beschreiben, also als einen wandernden Wellenzug. Eine derartige Welle ist ein statistisches Modell, das die Bewegungsmöglichkeiten des Teilchens beschreibt. Diese Betrachtungsweise bietet sich hier an, da es bei der Neutronenstreuung um Interferenzphänomene, also wellenartiges Verhalten, geht. Nähert sich nun also ein Neutron einem Kern, so wird es gestreut. Abhängig von der Beschaffenheit der anwesenden Kerne verändern sich durch die Streuung Frequenz und Wellenlänge des Neutrons.

Der Streuquerschnitt

Der Streuquerschnitt ist ein Maß für die Stärke der Wechselwirkung zwischen einem Neutron und einem Atomkern des Materials. So bedeutet ein größerer Querschnitt, dass die Streuwelle eine größere Amplitude besitzt. Die Streuquerschnitte verschiedener Elemente und auch verschiedener Isotope variieren stark. So hat z.B. Deuterium einen sehr großen Querschnitt, während leichter Wasserstoff mäßig streut. Im Durchschnitt hat der Streuquerschnitt eine Fläche von 10-28Quadratmetern, was 100 Milliardstel Billiardstel Quadratmillimeter sind, also nicht gerade groß.

Interferenzen

Kehren wir nun zurück ins wirkliche Leben, wo es nicht um ein Neutron und einen Kern geht, sondern um hunderttausende von beiden. Jedes gestreute Neutron kann dabei als Wellenpaket betrachtet werden , das sich vom Kern, an dem es gestreut wurde, ausbreitet. Allerdings findet zwischen diesen Wellen keine Interferenz statt, da sie sich nicht begegnen: Trotz der scheinbar enormen Menge an Neutronen ist der Raum in Wirklichkeit nur sehr dünn gefüllt, weswegen sich kaum einmal zwei Wellenpakete treffen. Allerdings wird jede der Wellenfronten innerhalb des Wellenpaketes separat gestreut; diese interferieren dann miteinander. Das Wellenpaket ist groß genug, um mit mehreren Kernen zu interagieren, wodurch wieder zusätzliche Wellen erzeugt werden. All diese interferieren jedoch nicht mit den Wellenfronten eines anderen Neutrons.

Zwischen all den Wellen eines Neutrons bilden sich Überlagerungen, die dann letzten Endes zu den Streubildern im Detektor führen. Aus diesen Streubildern kann man auf die Position und Eigenschaften der Wellenzentren (also Atomkerne) zurückschließen. Dass jede Überlagerung von Wellen charakteristische Eigenschaften hat, die Rückschlüsse erlauben, kann man am folgenden Beispiel sehen.

Setzt man einfach zwei Kerne nebeneinander und betrachtet jeden als Zentrum einer Elementarwelle, so ergeben sich bereits besondere Eigenschaften des Musters, die dem geübten Blick sofort die Position der Kerne verraten. In diesem Fall sind der deutlichste Hinweis die Hyperbeln, entlang deren völlige Auslöschung der beiden Wellen besteht. Selbstverständlich ist die Situation bei vielen tausend Wellen nicht mehr mit Augenschein lösbar; stattdessen werden raffinierte Berechnungsverfahren angewandt.

Streubilder

Ein Problem entsteht dadurch, dass man nicht das Wellenbild der Neutronen im Raum verfolgen kann, so wie es im Bild dargestellt ist. Stattdessen steht lediglich das von den Detektoren aufgezeichnete Streubild zur Verfügung, was den Ausschnitt entlang einer Ebene aus dem Wellenbild darstellt. Zur Verdeutlichung die obige Situation mit Detektorschirm, und die Wellen am Schirm:

Solche Streubilder werden mit Detektoren mit einer gewissen Zeitunschärfe aufgenommen. Deswegen zeigt das Detektorbild nicht den Momentanzustand an, sondern einen Durchschnitt über eine gewisse Zeitspanne, was zu einer starken Veränderung des Bildes führt. Hier mal ein simuliertes Streubild:

Wie man sehen kann, zeigt auch dieses Bild prägnante Muster. Interessante Proben bestehen nun allerdings nicht aus 2 oder 3, sondern aus einigen tausend unregelmäßig angeordneten Atomkernen. Bei der Rückrechnung auf die eintreffenden Wellen müssen deswegen modernste Algorithmen und enorme Rechenzeit verwendet werden.