Target und Moderator

Darstellung der ESS mit Targetstation in RotDie Protonenpakete verlassen nun den Kompressorring und nähern sich ihrem endgültigen Ziel: Der Targetstation.

Die Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich haben sich seit Jahren auf die Verfeinerung des Targets konzentriert und sogar unter dem Namen Jessica ein 1:1 Modell am Ringbeschleuniger COSY aufgebaut, das wir freundlicherweise besichtigen durften. Beim Target geht es darum, Neutronen durch Spallation zu erzeugen, mit Moderatoren zu bremsen und sie dann kontrolliert durch die Neutronenkanäle (siehe Bild) zu den Experimenten zu leiten.

Das Target

Das Target (im Bild grau) ist das Material, dessen Kerne spalliert werden. Wesentlich bei der ESS ist die Menge der erzeugten Neutronen. Man braucht also einen Stoff, der unter Protonenbeschuss möglichst leicht zerfällt, möglichst viele Neutronen pro Proton freigibt und möglichst wenige unerwünschte Abfälle hinterlässt.

Den ersten beiden Punkten wurde Rechenschaft getragen, indem man sich auf Materialien konzentrierte, die ein hohes Neutronen-zu-Protonen-Verhältnis haben. Diese Kerne sind mit akzeptablem Aufwand spallierbar und setzen pro Kern etwa 4-5 Neutronen frei. Da jedes Proton 5-6 Kerne spallieren kann, entstehen so pro Proton 20-30 Neutronen. In Frage kommen hauptsächlich Schwermetalle, wie z.B. Quecksilber, der momentane Favorit.

Quecksilber hat mehrere positive Eigenschaften:

Mechanische Belastungen

Abgesehen von seiner Heizwirkung hat der Protonenstrahl natürlich auch ein beachtliches kinetisches Moment; die Einschläge sind mindestens so stark wie die, die ein Maschinengewehr am Ziel verursacht. Zur Zeit wird noch an mehreren Methoden gearbeitet, um die enormen Druckwellen, die dann durchs Targetmaterial gehen, zu entschärfen. Einer der Vorschläge ist es, das Quecksilber im Target aufzuschäumen. Wie jedermann in der Badewanne leicht ausprobieren kann, hat Schaum eine dämpfende Wirkung auf kinetische Einflüsse.

Reflektor

Außen um das Target herum befindet sich der Neutronenreflektor, der die Aufgabe hat, die Neutronen am Verlassen des Targetbereichs zu hindern. Dies erreicht man, indem man ein möglichst dichtes Material nimmt, dessen Atomkerne groß und träge sind. Zur Veranschaulichung: Wenn man eine Billiardkugel gegen einen Medizinball wirft, kommt die Kugel zurückgesprungen, während der Medizinball unbeeindruckt bleibt. Für die ESS ist ein Bleireflektor geplant, der mit flüssigem Wasserstoff gekühlt wird.

Moderator

Nach der Spallation verlassen die Neutronen das Target; sie sind beinahe lichtschnell und für viele Experimente nicht zu gebrauchen, da sie geradezu durch die Probe "hindurchhuschen" würden, ohne dabei merklich beeinflusst zu werden. Man muss sie also abbremsen; dies geschieht mit dem sogenannten Moderator. Dies ist eine Schale um das Target herum, die aus leichten Atomkernen besteht. Ihre Bremswirkung beruht darauf, dass die Kerne ungefähr so leicht sind wie ein Neutron. Man stelle sich eine Billiardkugel vor, die gegen eine zweite, ruhende Billiardkugel stößt. Die erste Kugel verliert dabei viel Geschwindigkeit.

Das ganze kann man natürlich mit etwas Finesse noch verbessern. So werden die Moderatoren der ESS vermutlich Wasserstoffkerne benutzen, die allerdings in einem Kristallgitter (Methan-Wasserstoff) eingesperrt sind und sich nur innerhalb eines gewissen "Käfigs" bewegen können.